Torsten Hartmann

Texthäppchen über Bildschirmunterhaltung von Torsten.

Shinobido Imashime

Aus dem Archiv · spiel · ninja · chambara

Acquire, die ehemaligen Tenchu Entwickler sind zurück mit einem weiteren Teil ihrer Dô-Serie. Man hat sich wieder zurück zu den Wurzeln begeben und entwickelte nach drei Samuraispielen die ultimative Ninja-Simulation.

In Acquires Shinobido Imashime übernimmt man die Rolle des Goo, einem Asuka-Ninja, der eines Tages an einem Fluss zu sich kommt und erkennt, dass er sein Gedächtnis verloren hat. Im weiteren Spielverlauf gilt es die bruchstückhaften Erinnerungen des Shinobi wieder zusammen zusetzen, um so den Grund für seine Verletzungen und den Gedächtnisverlust herauszufinden. Um dies zu bewerkstelligen, tut man das, was Ninja am besten können: ihre Dienste einem der drei anwesenden Daimyo anbieten. Die stecken gerade eh in der Krise und da kommt es den Feudalherren gerade Recht, einen flinken Ninja an ihrer Seite zu haben.

Und so wartet ihr nun in eurer kleinen Hütte am Fluss auf Auftragsangebote aller Parteien, um dann anhand der Belohnung und des Schwierigkeitsgrades eine der Missionen auszuwählen und anzunehmen. Von da an befinden sich Freunde des schleichenden Genres ganz in ihrem Element. Acquire macht keinen Hehl daraus, dass sie alte Tenchuhasen sind und so gleicht das Spiel in Form und Farbe dem Genrebegründer im Ansatz in beinahe jeder Hinsicht.

Ihr schleicht durchs Unterholz, springt über Dächer und erklimmt schwindelerregende Höhen mit dem Kletterhaken, fast wie im Original. Aber auch nur fast, denn die Entwickler haben die Genreabstinenz genutzt und ihre Hausaufgaben gemacht.

Shinobido kann zwar grafisch nicht mit Tenchu 3 oder Kurenai mithalten, bietet dafür aber eine Menge neuer Features, die das Spiel zu einem echten Genuss machen. Die wichtigste Änderung wäre z.B. der Run-Button. Mit Hilfe der Kreistaste initiiert ihr den Sprintmodus in dem ihr lange Strecken in kürzester Zeit hinter euch bringen könnt. Auf diese Weise ist es jetzt möglich, potentielle Opfer aus sicherer Entfernung zu beobachten um diese dann im richtigen Moment mit einem Sprint zu erreichen und auszuschalten. Diese Formel aus Ruhe und Hektik geht unglaublich gut auf und bringt frischen Wind ins Genre. Die Basisaktionen neben dem Sprintmodus, wie etwa der Schleichbutton, Sprünge und Angriffe sind allesamt von Tenchu übernommen und werden ähnlich ausgeführt. Allenfalls die Tatsache, dass Stealthkills mit der Dreicktaste ausgeführt werden und nicht mit dem Attackbutton dürfte Alteingesessenen Anfangs einige böse Überraschungem beim Angreifen aus dem Hinterhalt bereiten. Zu den Stealthkills sei noch angemerkt, dass sich dieses Mal auch Zivilisten und mit viel Geschick und einer List endlich auch Bosse hinterrücks und ohne eine direkte Konfrontation meucheln lassen. Zumindest letzteres war mehr als fällig.

Eine sehr markante Änderung im Vergleich zum Genrekollegen Tenchu stellt das fehlende Ki-Meter dar, von dem es bisher möglich war die Entfernung zum nächsten Opfer abzulesen. Bei Shinbido werden die Gegner wie auch bei der Samurai Dou Serie durch kleine Holztafeln am oberen Bildschirmrand repräsentiert. Anhand des Transparenzgrades dieser Tafeln könnt ich erahnen, wo und wie weit entfernt sich ein neues Opfer aufhält. Diese Technik ist bedeutend gröber als das Ki-Meter und bedarf so einer wesentlich vorsichtigeren Vorgehensweise.

Sehr schön gefallen die Details, die Acquire überall im Spiel hinterlassen hat und die dafür sorgen, dass die Atmosphäre stets dicht bleibt. So sind die Gegner diesmal zwar immer noch nicht die hellsten, dafür sind sie wesentlich hartnäckiger, wenn es darum geht euch aufzuspüren. Sie laufen, schreien, tun sich zusammen und suchen jeden Winkel nach euch ab. Auch Häuser werden bestiegen sofern es in der Kraft der Gegner liegt. Nach einem schweren Nahkampf mit mehreren Wachen liegen Leichen dank der tollen Objektphysik verdreht auf dem Boden, Wurfsterne und Pfeile stecken in den Wänden, Papiertüre sind aufgeschlitzt und überall liegen umgeworfene Gegenstände herum, die interaktiv in den ganzen Levels verteilt sind.

Habt ihr eure Mission erfüllt, das heißt, eine entsprechende Person beschützt, jemanden getötet, entführt oder Vorräte aus den Lagern des Feindes gestohlen, geht es zurück in eure Hütte. Dort werdet ihr entsprechend der Ausführung des Auftrags belohnt. Aber Vorsicht! Wer wie ein Pöbel durch die Landschaft gezogen ist, oder gar das Missionsziel verpasst hat, bekommt schnell eine Reaktion in Form einer Gruppenattacke auf euer trautes Heim zu spüren. Diese Angriffe müsst ihr dann direkt vor eurer Haustür ausfechten und aufpassen, dass man euch nicht Items und Geld unter der Nase wegklaut.

Um die feindlichen Angriffe besser abwehren zu können, dürft ihr euch von eurem verdienten Geld, das eigene Haus und die Umgebung mit Items aus dem Ninjashop aufrüsten. Hier kommt der vollwertige Missionseditor zum Einsatz, der es euch nicht nur erlaubt eigene Level zu kreieren, sondern eben auch zum Aufbessern der Basis genutzt wird. So könnt ihr Fallen aufstellen, einen Graben ausheben oder Wachen rekrutieren und aufstellen. Die Umbauten sind strategisch sehr wichtig, da die Angriffe auf euer Haus mit zunehmendem Spielverlauf häufiger und vor allem stärker werden.

Klingt gut? Es wird noch besser. Wer keine Lust mehr hat, an der eigenen Hütte zu basteln, dem liegt vielleicht die Küchenarbeit mehr? Auch hier bietet Shinobido optimale Unterhaltung für den feudalen Ninja-Küchenchef. Ab einem bestimmten Punkt im Spiel dürft ihr euch einen Kessel kaufen. In diesem Utensil könnt ihr Items, die überall im Spiel herum liegen wie etwa Pilze, Kräuter oder Eidechsen zu Tränken zusammenbrauen. Alle Gegenstände haben jeweils fünf Attribute, die entweder ein positiver Wert, ein negativer Wert oder eine Null sein können. Mixt man jetzt verschiedene Zutaten in dem Kessel werden die Attribute entsprechend addiert, bzw. subtrahiert. Ist man mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden kann man, je nach Kessel, weitere Leckereien hinzufügen. Die fertige Kombination ergibt Heiltränke, Ninjamagie, Verwirrungs- oder Betäubungsmittel, nützliche oder weniger nützliche Items und sogar Bomben lassen sich so herstellen, sofern man eine leere Schale oder ein Gefäß zum Verstauen im Ninjashop gekauft hat.

Ebenfalls neu ist die so genannte Harakiri Engine. Diese Engine beschreibt die Auswirkungen bestimmter Aktionen auf den Spielverlauf. Wie Acquires Way of the Samurai Serie verfügt auch Shinobido über eine dynamische Storyline die unterschiedlich gut ausgehen kann. Interessant dabei ist die Freiheit, die man teilweise hat. Wer z.B. etwas von einem der drei Daimyo klauen soll und diesen dabei aber in seinem Thronsaal aufsucht und hinrichtet, entfernt den Auftrageber damit komplett aus dem Spiel und verdreht die Machtverteilung im Land damit fatal. Doch Obacht! Doppelgänger wurden auch damals schon gerne in die Dienste ungeliebter Anführer gestellt. Die Daimyo können auch hintergangen werden, indem man z.B. geklaute Gegenstände einfach behält. Die aktuellen Ereignisse werden stets im Auftragsbildschirm kurz angeschnitten um den Storyverlauf darzulegen.

Wie bereits angesprochen ist die technische Seite von Shinobido nicht unbedingt die stärkste. So sehen sich Tenchuverwöhnte Schleicher mit einer niedrigen Framerate und recht blockigem Leveldesign konfrontiert. Es gibt auch immer noch den ein oder anderen Gegner, der sich irgendwo im Level festgelaufen hat und einfach bis an sein Lebensende gegen eine Wand läuft. Fairer Weise muss man aber sagen, dass so etwas nur vorkommt, wenn ihr vorher durch viel Tumult dafür gesorgt hat, dass die Person ihren ursprünglichen Weg verlassen und sich auf der Suche nach euch irgendwo verlaufen hat.

Ein weit größeres Manko dürfe der Schwierigkeitsgrad sein. Gelingt es euch nämlich nicht, Bosse oder stärkere Gegner aus dem Hinterhalt zu erledigen steht ihr im direkten Kampf recht ärmlich da. Die Obermotze erledigen euch locker mit drei, vier gezielten Attacken, während ihr wie ein Berserker minutenlang auf den Gegner einschlagen und deren Attacken ausweichen müsst. Behakt ihr euren Widersacher nicht stetig heilt der sich mit einem Trank oder bewirft euch mit ekligen Items, die eure Fähigkeiten schmälern. Letzteres ist eben auch der Trick, dem der Spieler hier nachkommen soll. Ihr müsst jede Attacke gut planen, evtl. Ausgänge mit Fallen bestücken und euch entsprechend temporär mit Stärkungstränken vorbereiten. Wer dazu nicht den Willen hat zockt ohne spielerische Einschränkungen aber mit weniger widerstandsfähigen Gegnern im einfachen Modus.

Shinobido ist dank vieler Möglichkeiten und zahlreichen positiven Änderungen am gewohnten Gameplay die Ninja-Simulation schlechthin. Freunden digitalen Meuchelns, die mit technischen Abstrichen leben können, lege ich dieses Spiel nicht zuletzt wegen dem tollen Missionseditor, der es euch erlaubt eigene Missionen zu basteln und auf Zeit oder Punkte zu zocken, bedenkenlos ans Herz.