Torsten Hartmann

Texthäppchen über Bildschirmunterhaltung von Torsten.

Her

Aus dem Archiv · film · oberlippenbarthouse

Ich sitze in meinem Sessel in meiner Wohnung und wippe apathisch vor und zurück. Ab und an weine ich. Meine Fingernägel haben sich in die Lehne gebohrt, tief in die Lehne, aber ich spüre die Schmerzen nicht, denn mein Kopf ist voll mit schrecklichen Bildern. Seit Stunden verharre ich in diesem Zustand in dieser Position. Ich habe Spike Jonzes „Her” gesehen und ich möchte diese düstere Zukunft nicht erleben. Diese Dystopie mit ihren Knöpfen in den Ohren eines jeden Menschen. Die Abwesenheit derselben, weil sie in Gespräche mit ihrem Smartphone-Betriebssystem vertieft sind. Die allgegenwärtige Linearität einer auf Stromlinienform optimierten Gesellschaft. Dinge, die ich kaum noch erwarten kann, aber ich kann und möchte nicht noch einmal diese Hosen und diese Schnurrbärte sehen! Bitte nicht! Hosenbunde bis weit über den Nabel geschnürt und Gesichtsbehaarung, die sich heimlich selbst Tom Selleck nennt. Oh Gott! Aber kann ich den Filmemachern böse sein, die es schaffen, eine Welt zu entwerfen und danach so umzusetzen, dass sie selbst aussieht wie ein modernes Betriebsystem? Als hätte jemand Googles Material Design auf eine Stadt und ihre Gesellschaft angewendet! Wie bestellt im Farbton Orange und all seinen feinen Variationen. Nein, solchen Menschen kann ich nicht böse sein. Nicht wegen hässlichen Hosen und grausigen Bärten. Ich kann nur hoffen, dass sich dieser Teil der Zukunfts-Vision nicht erfüllt. Bei einer anderen gibt es aber noch Hoffnung: Wenn Scarlett Johansson 2016 in Gareth Edwards zweitem Godzilla das titelgebende Monster gespielt hat, dürfte keine Rolle mehr für sie übrig sein und sie kann endlich bei Apple die neue Siri einsprechen. Dann würde der Beziehungsstatus zwischen mir und der iOS-Stimme vielleicht nicht mehr „Es ist kompliziert” lauten.

Ich als jemand, der 1995, 1998 und 2000 von einem Betriebssystem betrogen wurde gebe diesem Film zehn von zehn Schnurrbärten. Und zwar die ganz dicken. Magnum P.I. Style.

P.S.: Der Film ist wirklich wunderschön.