Metal Gear Solid V: The Phantom Pain
Wie kann ich denn wohl diejenigen unter euch, die Phantom Pain nicht spielen, noch dazu bringen es doch zu tun? Ich hab es! Ich erzähle euch einfach mal von gestern Nacht.
Es begann hoch zu Ross. Mein Pferd trottete gemächlich an eine Felskante heran. Unter uns knarzte der karge, staubige Boden der afghanischen Wüste. Vor uns, am Fuß der Klippe erstreckte sich ein weitläufiges Militärcamp. Ein Dutzend feindlicher Soldaten streunte mehr oder weniger gemütlich auf und ab. Einer von ihnen war ein Waffenspezialist und mein Objekt der Begierde. Eine Entführung. Mein Spezialgebiet. Ausspionieren, eindringen, zuschlagen, abhauen. Was in der Theorie wie im Kino klingt, ist in der Praxis harte Arbeit. Nachdem ich alle beweglichen Ziele beobachtet und markiert hatte, machte ich mich im Schutz der Dunkelheit auf, das Camp zu infiltrieren. Ich schlich mich gekonnt bis ins Zentrum des Lagers. Dort wurde eine Wache mit einem Nachtsichtgerät auf mich aufmerksam. Schnell versteckte ich mich hinter einen geparkten Jeep. Der Nachtsichtmann wurde stutzig und bewegte sich auf mein Versteck zu. Ich stülpte mir einen Karton über, tarnte mich so als herumstehende Arbeit und freute mir einen Ast, dass das wirklich funktionierte und der Nachtsichtmann das Interesse an mir verlor. Minuten später lockte ich, hinter Mauern, Dixie Klos oder Zelten hockend, einzelne Soldaten, einen nach dem anderen, zu mir und schaltete sie aus. Die schliefen nur. Ich bringe bei Metal Gear niemanden um.
Irgendwo war mir ein Fehler unterlaufen, woraufhin die Hölle losbrach. Ich konnte mich gerade noch so in einem alten Tempel verstecken und harrte aus, bis wieder Ruhe einkehrte. Auf ein Neues. Im Folgenden erwischte mich ein Wachmann mit einem anderen Wachmann über der Schulter, den ich gerade in einem Dixi verstauen wollte („Es ist nicht so, wie es aussieht!“). An anderer Stelle achtete ich nicht auf den aufgebrauchten Schalldämpfer meiner Betäubungspistole. Einmal fiel ich beim Wegrennen zu tief und starb. Ein anderes mal hing der von mir zu entführende Soldat bereits am Wetterballon, der ihn ausfliegen sollte, als im Gerangel eine Granate erst mich verfehlte und dann direkt unter dem Ballon detonierte. Mitsamt dem Objekt der Begierde. Einen Meter über dem Boden!
Es kostete letztendlich über eine Stunde Zeit und erforderte ein aufregendes Katz- und Mausspiel durch das Labyrinth der Tempelruine, bis mein Auftrag endlich erfüllt war und ich sicher wieder aus dem Missionsgebiet verschwunden war. Dann merkte ich, wie müde ich längst war. Und auch ein wenig sauer. Ich ritt davon und wollte das Tal mit den feindlichen Soldaten hinter mir lassen.
Plötzlich spürte ich dieses Stechen. Der Stolz. Ich hielt das Pferd an ... und kehrte um. Wieder an der Felskante angekommen, blickte ich runter ins Tal auf das Lager. Immer noch sauer. Über mein Kommunikationsgerät, dem iDroid, forderte ich einen Luftschlag an und wählte das Zentrum, die Kommunikationsanlage und den Aussichtsturm des Camps als Ziel aus. Wenige Minuten später explodierte der Aussichtsturm und die Funkanlage mit samt Zelt in tausende kleine Teile. Im Zentrum flogen Körper, von der Explosion getrieben, durch die Luft. Ich rief den Helikopter und bat um weitere Feuerunterstützung. Während im Camp helle Aufregung herrschte, flog mein Heli in das Tal ein und schaltete gezielt umherlaufende Soldaten mit Maschinengewehrfeuer aus.
Die Schreie der Soldaten im Tal vermischten sich mit Kim Wildes Kids in America, das aus den Boxen des angreifenden Helikopters schallte und der Szene eine erdrückende Atmosphäre verlieh. Ich stand am Abgrund und weil Snake weder eine Flagge der vereinigten Staaten, noch eine eiskalte Coca Cola zur Hand hatte, ließ ich ihn eine Zigarre rauchen. I am Snake dachte ich. Don't fuck with me!
Ich erlebte den vielleicht moralisch verwerflichsten Moment meines Lebens als Videospieler. Es untermalte ihn das schöne Gefühl höchster Genugtuung.
Kurzum: Metal Gear Solid V: The Phantom Pain ist ein Brett.