Torsten Hartmann

Texthäppchen über Bildschirmunterhaltung von Torsten.

Not a Hero

Aus dem Archiv · spiel

Da liegt es nun schon eine ganze Weile auf der Festplatte meiner Playstation 4 unbeachtet so rum und flüstert immer ganz leise „Spiel mich!“ vor sich hin, aber irgendwie war mir nie so wirklich danach dieses „Not a Hero“ endlich einmal auszuprobieren. Ein Fehler, wie sich am Wochenende herausstellte. In meinem John Wick Texthäppchen schreibe ich, dass sich der Film anfühlt, wie eine auf 100 Minuten aufgeblasene Sorter-Szene aus Guy Ritchies sträflich unterschätzten Revolver. „Not a Hero“ fühlt sich nun an, wie die Spielumsetzung einer solch langen Szene.

Eingebettet ist das Ganze in fast schon obligatorischen, aber sehr liebevollen Pixelanimationen, vor Nostalgie nur so triefender Chiptune-Musik und bitterbösem Humor, so schwarz wie die Seele von Anish Kapoor. Der Humor findet sich in den Zwischensequenzen, die meinem Triggerfinger bei all der Action aber kaum standhalten, und auch während der Einsätze, wenn die Protagonisten zum Beispiel mit feinstem East End Dialekt ihre Schandtaten kommentieren. Und davon gibt es genug. Der aufstrebende, kaltblütige Politiker Bunnylord will Chef der Insel werden, und jede Stufe auf der Karriereleiter repräsentiert ein neues Level. Dann gilt es, sich in der Rolle seiner Handlanger, schwer bewaffnet, durch zweidimensionale Gebäude zu schießen, Deckung zu suchen, primäre und sekundäre Herausforderungen zu meistern und möglichst unbeschadet aus der Misere wieder herauszukommen. Mit der Zeit werden neue Figuren freigeschaltet, die sich in Feuerkraft, Munition und Nachladeverhalten unterscheiden.

Mit Dauerfeuer und Haudrauf funktioniert „Not a Hero“ überraschend schlecht. Trotz der brachialen Präsentation will jeder Raum vor dem Betreten gut geplant sein und nicht selten entpuppt sich eine scheinbar gute Strategie als Fehlentscheidung. Rücksetzpunkte innerhalb einer Mission gibt es nicht, minütliche Neustarts gehören zum Tagesgeschäft. Das ist weniger frustrierend als erwartet, endet bei mir aber relativ oft in Resignation, was die sekundären Ziele angeht. Die kann man ja auch später noch einmal versuchen (Ablage Neujahrsvorsätze). Die Enttäuschung über die vielen (optionalen) Zeitlimits in den Herausforderungen ist in etwa so groß wie die Tatsache, dass die freizuspielende Figur des Jesus mit Uzi nicht der aus Nazareth, sondern der aus „The Big Lebowski“ ist. Trotzdem ist „Not a Hero“ ein ganz großartiges Spiel und auf der Playstation 4 diesen Monat auch noch gratis zu haben. Da dürfen sich Moral und Seele eine wohlverdiente Auszeit nehmen.