Torsten Hartmann

Texthäppchen über Bildschirmunterhaltung von Torsten.

Yonder: The Cloud Catcher Chronicles

Aus dem Archiv · spiel

Vor gefühlt fünf Jahren habe ich das Entwicklerwerkzeug Unity am MacBook installiert und mir gesagt, dass wenn ich nochmal ein Spiel schreibe, es eine kleine Insel hätte, auf der man ganz viel entdecken könnte. Nach einer Woche mit Yonder streiche ich das jetzt einfach mal von meiner Bucket-List, denn das, was Prideful Sloth hier in Unity auf den PC und die Playstation 4 gezaubert haben, hängt die Messlatte so dermaßen hoch, dass ich direkt zum nächsten Punkt auf meiner Liste springen kann: Irgendwas mit „nackt“, „Running from the Bulls“ und „Vanillecremetörtchen“. Auweia!

Wenn einschlägige Seiten im Netz über Yonder schreiben, dann meist über die Abstinenz jeglicher Herausforderung und ich gebe zu, dass es genau das war, was mein Interesse an diesem Titel geweckt hat. Nicht ohne Grund, denn in der schwierigen Balance zwischen „herausfordernd“ und „frustig“ liegt irgendwo mein Problem mit gefühlt vierhundert Spielen begraben. Ja, Yonder fehlt die Herausforderung im klassischen Sinne, aber hier gibt es so dermaßen viel zu tun, dass ich mir gar nicht vorstellen könnte, wann genau ich mich nach dieser sehnen sollte. Hier aufzuführen, was alles in Yonder möglich ist und wo man sich von anderen Spielen zu tollen Ideen hat inspirieren lassen, würde den Rahmen sprengen. Einfacher ist es zu sagen, was nicht geht: Schwimmen und Kämpfen. Ersteres ist schade.

Natürlich hält sich die Komplexität dabei in gesunden Grenzen. Ein Stardew Valley hat mehr Möglichkeiten, wenn es um die eigene Farm geht, ein Zelda hat weit größere Landschaften und eine spannende Geschichte obendrein und ein Minecraft lacht sich beim Anblick der Herstellungsmöglichkeiten sicherlich ins blockige Fäustchen. Aber all das in einem Spiel zu sehen, welches dabei so schön aussieht (sorry Minecraft), ist im mittleren Preissegment, in dem sich Yonder bewegt, großartig und vielleicht auch einzigartig.

In der Essenz laufe ich dabei zwar nur von Punkt A nach Punkt B und lasse mich dabei klassisch von zwei Dutzend Nebenquests, allerlei süßen Kreaturen und Schatztruhen mit modischem Inhalt ablenken, aber nerven tut all das aufgrund der spielerisch sorglosen Attitüde irgendwie kaum. Und Potential für gepflegtes Prokrastinieren gibt es auch ohne das Zerlegen von Dämonen und Zombies mit dem Schwerte zuhauf: Überall auf der Spielwelt verteilt gibt es Farmen und Brücken, die für die Benutzung repariert werden müssen, mehrere traditionelle Berufe, unter anderem Tischler, Schneider oder Koch können neben der alltäglichen Tätigkeit als Farmer erlernt und gemeistert werden, entlaufene Katzen wollen gefunden und arglos gefällte Bäume neu gepflanzt werden. Jede dieser Aufgaben schlägt dabei mit mehreren Stunden zu buche. Und wer wie ich keine Lust hat, die verschiedenen Tiere auf den im ganzen Land verteilten Höfen zu versorgen, sondern alle quer durch die Spielwelt zu locken, um sie dann auf einer Farm zu vereinen (nicht ohne dabei den Lonely Shepard zu pfeifen), kann noch weitere Stunden der ansonsten ja eher vergeudeten Lebenszeit investieren.

Das Preisleistungsverhältnis kippt endgültig ins Plus sobald ein Feuerwerksautomat auf der eigenen Farm installiert ist: Jeden Abend kann dann das eigenhändig kuratierte Feuerwerk von fast überall auf der Insel beobachtet werden. Das allein ist die 25€ wert.

Jetzt gilt es abzuwarten, wie Yonder auf Dauer gepflegt wird. Das Potential für weitere Abenteuer ist da, die Aufgabe, diese zu nutzen, ist für ein Indiestudio und ein Spiel im mittleren Preissegment allerdings keine leichte. Da sieht man es wieder. Das echte Leben hält halt schon genug Herausforderungen parat.