Torsten Hartmann

Texthäppchen über Bildschirmunterhaltung von Torsten.

Oure

Aus dem Archiv · spiel

Irgendwo in Sonys Pressekonferenz zur Paris Game Week 2017 gab es ein Segment über Oure. Ein kunstvolles kleines Spiel des Entwicklers Heavy Spectrum Games über ein Mädchen, das sich in einen Lindwurm verwandeln und so elegant durch die Lüfte segeln kann. Dann die Überraschung: Oure ist ab jetzt erhältlich. Warum sich bei der gleichermaßen seltsamen wie unterhaltenden Kultur selbstverherrlichender Zurschaustellung vor weltweitem Publikum nicht mal was aus den besten Zeiten des Genre-Meisters Apple abgucken?

Nun ja. Zum Beispiel weil fixe Deadlines bei Videospielen eher nicht dafür bekannt sind, bis ins kleinste Detail ausgereifte Produkte ans Tageslicht zu fördern. So wird dieser Marketing-Schachzug sicherlich nicht ganz unschuldig daran sein, dass mich die Kamera beim Bezwingen von Titanen in luftiger Höhe mitunter dermaßen zur Weißglut bringt, wie sie es zuletzt nur in Shadow of the Colossus geschafft hat. Dass die Synchronisierung der Protagonistin generisch und uninspiriert daherkommt (später sagt sie zum Glück gar nichts mehr), oder dass manche Aktionen, wie das stetige Drücken derselben Taste erforderlich sind, um emotionslose und atmosphärisch fade Story-Einspieler fortzusetzen sicherlich auch.

Diesen unnötigen Ungereimtheiten gegenüber steht eine großartige offene Welt, die lediglich aus Wolken mit sporadisch hinausragenden steinernen Inseln besteht und die einlädt, stundenlang in ihr als Drache herumzufliegen. Überall gilt es kleinere Rätsel oder Aufgaben zu lösen, um den Fortschritt voranzutreiben und Titanen zu beschwören. Diese wollen daraufhin zu epischer Musik mit mal mehr und mal weniger schwierigen Rätseln oder Geschicklichkeitsproben von mir befreit werden. Schaffe ich das, taucht Oure die eigene Welt in immer neues, faszinierend schönes Licht und Wetter, um so für die Abwechslung beim Erforschen der Wolkenlandschaft und dem Sammeln von Artefakten zu sorgen.

Die zum Gesichtspalmieren unverständliche Entscheidung, eine Steuerung, bei der mit dem linken Stick in die vier Himmelsrichtungen gelenkt und der Steig- beziehungsweise Sinkflug über die Schultertasten geregelt wird, einer klassischen Flugzeugsteuerung vorzuziehen ist dabei zwar blöd, nach einer gewissen Einarbeitungszeit aber ohne Zweifel zu meistern.

So ist Oure für mich ein Spiel, das ich unglaublich gerne spiele und aktuell oft gegenüber Freunden lobend erwähne, nur um im gleichen Atemzug darüber herzuziehen, weil es mich immer wieder aus der Reserve lockt und übel aufregt. Genau wie Shadow of the Colossus damals. Aber das halte ich ja trotzdem auch immer noch für eines der besten Spiele, die je gemacht wurden. Davon ist Oure zwar weit entfernt, ein ungeschliffener Diamant, dessen einmalige Spielelemente die unbearbeiteten Kanten wieder ausgleichen, ist es aber trotzdem.